Das Potenzial der DMykG liegt in ihrer Eigenständigkeit, in „Fungal Awareness“ eine kontinuierliche Aufgabe

Interview mit Professor Dr. rer. nat. Sven Krappmann, Professor für Klinische Mikrobiologie und Immunologie am Institut für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Universitätsklinikums Erlangen.

20.11.2023
Im Rahmen der MYK 2023 in Frankfurt am Main wurde Professor Dr. rer. nat. Sven Krappmann in das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft gewählt. Herzlichen Glückwunsch! Damit ist festgelegt, dass nach drei Jahren im Stellvertreteramt der Vorsitz folgt. In einem Interview im Oktober 2023 verrät Sven Krappmann seine besondere Beziehung zur Mykologie und seine Visionen für die Entwicklung und Zukunft der DMykG e.V.

Wann und wie wurde Ihr Interesse an der
medizinischen Mykologie geweckt? Gab es ein Schlüsselerlebnis?


Sven Krappmann:
Ja, vor ca. 20 Jahren, nachdem ich meine Doktorarbeit fertiggestellt hatte. Ich war damals in
einer Gruppe tätig, in der mikrobiologische Grundlagenforschung verfolgt wurde und deren
Leiter pilzorientiert war mit dem Modellsystem Hefe. Zudem hatte er, was seinerzeit wirklich
innovativ war, einen filamentösen Schimmelpilz – Aspergillus nidulans – in seinem Portfolio,
mit dem ich zunächst im Rahmen meiner Promotion gearbeitet habe. Bei den Überlegungen,
in welche Richtung ich danach gehen könnte, habe bei den ersten Forschungen festgestellt,
dass sich grundlegende Eigenschaften im Metabolismus auch auf infektionsrelevante
Aspekte wie Fitness und Virulenz übertragen lassen. Damit war mein Interesse an der
medizinischen Mykologie geweckt worden. Weiterentwickelt hat sich diese Orientierung
dadurch, dass ich an der Universität Würzburg eine eigenständige Nachwuchsgruppe am
Zentrum für Infektionsforschung etablieren konnte. Dieses Umfeld war durch den Kontakt zu
anderen Nachwuchsgruppen bzw. Forschungsgruppen aus der Mykologie, Parasitologie,
Bakteriologie und Immunologie sehr inspirierend und dementsprechend war diese Zeit sehr
prägend.

Sie haben 2021 im 60. Gründungsjahr zusammen mit Priv.-Doz. Dr. Jürgen Held eine
sehr bemerkenswerte virtuelle Jahrestagung geleitet. Ohne sichtbarem Publikum, ohne
Begegnungen aber dennoch mit großer Nähe und inhaltsstark.
Was war dabei Ihr intensivster Eindruck?


Sven Krappmann:
Es war nicht nur ein Eindruck. Die gesamte Veranstaltung war sehr intensiv und besonders
beeindruckend war das durchgehend ungebrochene Interesse der Teilnehmer. Damit war
bei einer virtuellen Veranstaltung gar nicht zu rechnen, zumal ich zu dieser Zeit bereits eine
gewisse Online-Veranstaltungsmüdigkeit vermutet hätte. Trotzdem waren zahlreiche
Vorträge und Themen dabei, die allesamt sehr hochkarätig waren. Sehr erfreulich war auch
die Bereitschaft aller Plenarsprecher bei der Online-Tagung mitzumachen. Es gab keine
Absagen, nachdem die Entscheidung für eine virtuelle MYK getroffen worden war. Alle
haben an einem Strang gezogen und mir ist auch die virtuelle Übergabe des Staffelstabs
nach Wien zu Frau Professorin Willinger in besonderer Erinnerung geblieben.

Die Mykologie spielt in fast allen medizinischen Fachbereichen eine Rolle. Wo sehen Sie
aktuell die größten Herausforderungen?


Sven Krappmann:
Konkret und naheliegend ist hier die Entwicklung neuer Antimykotika zur Optimierung der
therapeutischen Möglichkeiten. Probleme bereiten immer noch Nebenwirkungen und
zunehmend Resistenzen. Es gibt zu wenige Zielstrukturen und Targets, deshalb ist die
Grundlagenforschung von Bedeutung. Im klinischen Alltag ist die Diagnostik sehr wichtig, um
frühzeitig eine zielgerichtete antimykotische Therapie einzuleiten.
Nach meinem Eindruck ist manchmal nicht genügend Bewusstsein für Mykosen vorhanden.
Darin sehe ich eine wichtige Aufgabe und Herausforderung, Fungal Awareness zu schaffen,
insbesondere in den Kliniken und beim medizinischen Personal. So kann ein
Infektionsgeschehen auch oftmals pilzlichen Ursprungs sein und bisweilen wird zu spät daran
gedacht. Mykologie kann in sehr unterschiedlichen Szenarien eine Rolle spielen und in
diesem Rahmen sehe ich nicht genügend Aufmerksamkeit für die Entstehung von Mykosen.
Studierende sind meist überrascht, beeindruckt und erstaunt, wenn es um mykologische
Themen geht. Interesse und Begeisterung ist durchaus vorhanden, aber im Bewusstsein
noch längst nicht verankert. Auch für die Allgemeinbevölkerung sehe ich einen gewissen
mykologischen Aufklärungs- und Informationsbedarf, aber steter Tropfen höhlt den Stein…

Wo liegen Ihre Ziele für die kommenden drei bzw. sechs Jahre, in denen Sie die Zukunft der
DMykG mitgestalten werden?


Sven Krappmann:
Zum einem geht es mir darum, die Mykologie als eigenständiges und gleichwertiges Fach
innerhalb der medizinischen Mikrobiologie zu stärken. Dafür eignet sich eine
Fachgesellschaft am besten, weil Synergien geschaffen bzw. ausgelotet werden können, um
einen Brückenschlag zwischen Grundlagenforschung und Klinik zu finden bzw. auszubauen.
Zwar ist eine Verbindung vorhanden, aber es sind immer noch zwei Lager, die sich ein wenig
fremd sind. Hier wünsche ich mir mehr Interaktion auch innerhalb der DMykG, das halte ich
für sehr erstrebenswert. Ich bin ja selber Grundlagenforscher bzw. Naturwissenschaftler und
hier am Mikrobiologischen Institut des Universitätsklinikums, wo sich unmittelbar neben
meinem Büro die diagnostische Abteilung befindet. Dadurch besteht Interaktion mit den
Klinikmitarbeiter:innen, wobei spürbar ist, dass es zwei unterschiedliche Disziplinen sind, die
aber extrem voneinander profitieren können und sollten.
Eine weitere wichtige Herausforderung ist es, bei den Nachwuchswissenschaftler:innen
Interesse und Begeisterung für die Mykologie zu wecken, um die Zukunft der Gesellschaft zu
sichern. Gerade für junge Wissenschaftler:innen lohnt es sich, in der DMykG aktiv zu sein,
weil hier Entwicklungs-Unterstützungs- sowie Fortbildungsmöglichkeiten angeboten
werden.

Welche besonderen Potenziale sehen Sie in der DMyKG als medizinisch-wissenschaftliche
Fachgesellschaft?

Sven Krappmann:
Ein großes Potenzial sehe ich in der Eigenständigkeit der Gesellschaft. Damit ist die DMykG
e.V. ein selbständiges Sprachrohr für die Belange der medizinischen Mykologie, die sie als
Teilgebiet der medizinischen Mikrobiologie im deutschsprachigen Raum vertritt. Dies ist ein
Alleinstellungsmerkmal der Gesellschaft und insofern einzigartig. In den anderen
Fachgesellschaft sind die Pilze zwar auch vertreten, jedoch nur in Fachgruppen oder Special
Interest Groups. Die DMykG ist unabhängig und kann deshalb viel mehr bewegen, initiieren
und erreichen.
Großes Potenzial sehe ich zudem in dem medizinisch-naturwissenschaftlichen Spektrum. Es
sind nicht nur Kliniker:innen, Mediziner:innen und Ärzt:innen, sondern auch
Mikrobiolog:innen, Naturwissenschaftler:••innen und Grundlagenforscher:innen in der
DMykG aktiv. Diese bilaterale Ausrichtung ermöglicht den fachübergreifenden Austausch,
schafft Synergien und gegenseitige wissenschaftliche Befruchtung, indem man sich trifft,
unterhält und informiert - dies ist in jeder Hinsicht immer eine Bereicherung.
Herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit, auf viele Impulse
und Aktivitäten und wünschen Ihnen eine erfolgreiche und angenehme Amtszeit.

Das Interview führe Gabriele Henning-Wrobel

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