Die Entwicklung der Medizinischen Mykologie

Es waren vor allem die Dermatologen und Tropenmediziner, die sich anfang des 20. Jahrhunderts intensiv mit mykologischen Fragestellungen auseinandersetzten. Bis heute sind Dermatologen in Bezug auf Pilzinfektionen der Haut und Hautanhangsgebilde mit einem epidemiologischen Problem ersten Ranges konfrontiert.
Hingegen war die Rolle der endemischen Mykosen mit dem Ende des Kolonialismus für die hiesige Medizin eher untergeordnet. Angesichts des zunehmenden Tourismus und militärischer Auslandseinsätze dürften auch die endemischen Mykosen bei uns wieder verstärkt auftreten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird zudem eine deutliche Zunahme an opportunistischen Pilzinfektionen beobachtet. Nicht nur das Auftreten von HIV, sondern auch die Fortschritte der Medizin in den Bereichen der Chirurgie, Intensiv-,Tumor- und Transplantationsmedizin und der teilweise damit verbundene Einsatz von Antibiotika, Immunsuppressiva und Kortikoiden, führten zu einer Zunahme immunsupprimierter Patienten. Sie haben ein hohes Risiko an opportunistischen Pilzinfektionen zu erkranken.
Alle medizinischen Disziplinen sind heute mit Problem der Diagnostik und Therapie von Candida-, Aspergillus, Kryptokokkus- und Pneumocystis-Infektoinen konfrontiert. Eine Zunahme ist auch bei den Zygomykosen zu verzeichnen. Sie sind zwar immer noch selten, gelten aber als therapeutisch schwer beherrschbar.

Die Medizinische Mykologie ist inzwischen aus einer eher randständigen Position zu einem zentralen Fach geworden, das alle mediznischen Disziplinen betrifft und somit das breiteste interdisziplinäre Spektrum aufweist.

 

Persönlichkeiten in der Frühzeit der Mykologie

Der Beginn der medizinischen Mykologie wird mit dem Jahr 1839 datiert, lange vor der medizinischen Bakteriologie. Johann Lucas Schönlein (1793–1864), beschrieb mit nur 23 Zeilen und einer Zeichnung den Favuserreger.

Eine weitere wichtige Persönlichkeit ist Asta v. Mallinckrodt-Haupt (1896-1960). Im Januar 1920 erschien in der renommierten Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW) ein mehrseitiger Beitrag über „Immunisatorische Vorgänge bei der Trichophytie des Menschen“. Erster Autor war der Oberarzt und Privatdozent an der Hautklinik der Charité Franz Blumenthal, als seine Koautorin wurde die Medizinstudentin („cand. med.“) Asta von Haupt genannt; sie war damals 23 Jahre alt.

 

Gründungsgeschichte der DMykG...

Die DMykG e.V. hat sich im Laufe ihrer Geschichte zu einer zeitgemäßen, interdisziplinären medizinischen Fachgesellschaft entwickelt, die traditionell international vernetzt und zukunftsorientiert innovativ aufgestellt ist. Dass es 2020 und 2021 digitale MYK-Tagungen geben wird, hat sich 1961 niemand vorstellen können. Heute ist die Gesellschaft längst in der digitalen Kommunikationswelt angekommen und hat damit neue Wege beschritten.

Mit der Gründung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft e.V. im Jahr 1961 haben die damaligen Initiatoren den Grundstein für die Entwicklung und heutige Bedeutung der Mykologie in der Medizin gelegt. Von 1961 bis 1969 war Professor Dr. med. Hans Götz (1915-1997), Essen, Vorsitzender der Gesellschaft, deren Mitglieder damals überwiegend Dermatologen waren. Erst im Laufe der Jahre wurde deutlich, dass Pilzinfektionen in fast allen medizinischen Disziplinen als Infektionskrankheit Probleme bereiten und eine besondere Herausforderung darstellen. Mit den Fortschritten in der modernen Medizin z.B. in den Bereichen der Onkologie, Intensivmedizin und Transplantationsmedizin, sind auch die Risiken für lebensbedrohliche systemische Mykosen größer geworden. Neue Fragestellungen wirft ebenso die COVID-19-Pandemie für die medizinische Mykologie auf. Ein Bewusstsein für Pilzinfektionen ist in der Medizin längst angekommen und es gilt, durch diagnostische und therapeutische Maßnahmen den Mykosen möglichst früh auf die Spur zu kommen und rechtzeitig zu behandeln.

Die Vorsitzenden, Vorstandsmitglieder und rund 500 Mitglieder stammen mittlerweile aus allen Fachbereichen der Medizin und haben mit ihrer Expertise und mit ihren Aktivitäten individuelle Fragestellungen eingebracht und lebensrettende diagnostische und therapeutische Konzepte in den Kliniken etabliert.

 

... in Zeitdokumenten

Verfolgen Sie mit uns die Entwicklung der Deutschen Mykologischen Gesellschaft und stöbern in historischen Dokumenten:

 

 

Eine Betrachtung anhand der Programme der MYK 1981 und der MYK 2021
Von Sven Krappmann und Jürgen Held

„Ohne Fortbildung kommt der Fortschritt den Kranken nicht zugute. Deshalb sind Tagungen mit ausgedehntem Gedankenaustausch absolut notwendig.“
(Hans Rieth in seinem Vorwort zur MYK 1981 in Erlangen)

Mykologie, 1981 eine relativ junge Disziplin
Ein Blick in das damalige Tagungsprogramm zeigt Veränderungen, Entwicklungen, Parallelen und auch Themen, die damals wie heute aktuell sind. So war die Tagung 1981 vor allem von klinischen Aspekten der relativ jungen Disziplin „Mykologie“, die sich aus der Dermatologie entwickelt hatte, geprägt. Die Themen der Beiträge reichten von Mykotoxinen, Typisierung, Therapie bis hin zur Immunologie, und bei den Freien Themen fand sich auch noch Zeit für einen historisch geprägten Beitrag. Viele dieser Aspekte haben nichts von ihrer Aktualität verloren, wie die Sessions der MYK 2021 zeigen, jedoch haben molekulare und computergestützte Ansätze sowohl das Spektrum als auch die Leistungsfähigkeit der damit verbundenen Untersuchungen bzw. Forschungen immens erweitert (Bsp. Mycobiom & NGS). Darüber hinaus zeigt sich immer deutlicher, dass Pilzerreger selten isoliert zu betrachten sind, und dieser Erkenntnis soll durch die geplanten Schwerpunkthemen Mikrobielle Interaktion und Epidemiologie und neuartige Erreger während der aktuellen Jahrestagung Rechnung getragen werden.

Forschungsschwerpunkte vor 40 Jahren und heute
Die Tatsache, dass die Jahrestagung MYK 2021 nach 40 Jahren erneut in Erlangen stattfinden sollte gibt Anlass, die Entwicklung der Mykologie als eigenständige Disziplin zu beleuchten. Dies lässt sich sehr gut durch den Vergleich einiger der damaligen Beiträge mit heutigen Forschungsschwerpunkten darstellen:

So präsentierte seinerzeit Professor Reinhard Rüchel seine Erkenntnisse zur „Differenzierung sekretorischer Proteasen von Candida albicans.“ Damals wurden Kulturüberstände willkürlich ausgewählter Stämme nach der Anzucht auf Rinderserumalbumin mit Hämoglobin als Substrat getestet und mittels Pepstatin A-Hemmung weiter charakterisiert. Vor allem die proteolytische Aktivität von aufgereinigten Proteasen gegenüber Immunglobulinen gaben Anlass dazu, den sezernierten Aktivitäten eine Rolle bei der Persistenz von C. albicans auf Schleimhäuten zuzuschreiben (PMID: 6753190). Der Beitrag von Professor Rüchel illustriert die bahnbrechenden Anfänge der Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der sekretorischen C. albicans-Aspartatproteasen (Saps), die erstmals 1968 von Friedrich Staib beschrieben worden waren. Deren Rolle als Virulenzfaktoren von C. albicans ist heutzutage hinreichend etabliert, ausgehend von der Klonierung des ersten Sap-kodierenden Gens im Jahr 1991 und einer Vielzahl nachfolgender hochrangiger Forschungsarbeiten, vorrangig von Professor Bernhard Hube. Die Bedeutung der unterschiedlichen Sap-Isoenzyme für die Pathogenese und die Regulation der SAP-Genfamilie sind auch heute noch Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten auf höchstem Niveau.

Anatomische Nischen als Gegenstand der Forschung
Während der MYK 1981 stand der Samstagvormittag am 2. Mai 1981 unter dem Motto „Typisierung pathogener Hefen in der Krankenhaushygiene“, mit Beiträgen zur Charakterisierung und Differenzierung unterschiedlicher Candida albicans-Isolate. Hierbei waren epidemiologische Aspekte sowie der Nachweis spezifischer Enzymaktivitäten, wie Lipasen oder Proteinasen, von Bedeutung. Auch die anatomischen Nischen, aus der einzelne Isolate gewonnen werden konnten, waren Gegenstand der Forschung, wie der Beitrag von Herrn Professor Wolf Meinhof zum Thema „Charakterisierung von Candida albicans-Stämmen aus Mundhöhle, Magen-Darm-Trakt und Vagina“ zeigt.

Heutzutage wird die biochemische Analyse von Pilzisolaten zunehmend von der Massenspektrometrie abgelöst, was eine rasche und zielgerichtete Identifizierung ermöglicht. Jedoch sind auch zahlreiche weitere diagnostische Ansätze in der mykologischen Praxis etabliert, und in den entsprechenden Sessions der MYK 2021 werden ausgewiesene Sprecher ihre aktuellsten Erkenntnisse präsentieren. Auch die Beschreibung des sogenannten Mykobioms, d. h. der Gesamtheit aller identifizierbaren Pilze eines Standorts oder einer Probe, ist heutzutage Gegenstand der mykologischen Forschung, vor allem unterstützt durch moderne Sequenzierungsverfahren. Dieser Ansatz geht weit über die damaligen Typisierungsstrategien, wie sie auf der MYK 1981 präsentiert wurden, hinaus und zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich die mykologische Wissenschaft im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat.

Der Geist der Mykologie
Ein weiterer illustrativen Aspekt der DMykG-Jahrestagung von 1981 in Erlangen ist die Bandbreite dermatologisch geprägter Beiträge, die vor allem während der Sonntagvormittags-Session zu Freien Themen vorgestellt wurden. Neben der „Sprosspilzbesiedlung im hospitalisierten dermatologischen Krankengut“ (I. Török et al.) oder epidemiologischen Aspekten der Fußringelflechte mit spezifischem Bezug zu Trichophyton rubrum (I.C. Gentles) waren Untersuchungen zu Keratomykosen in Japan (K. Nishio & O. Matsusaki) oder auch zur Ultrastruktur von Dermatophyten und deren Tinea (P. Dockx) Teile des wissenschaftlichen Programms. Auch ein Beitrag von H. Rieth und M. Refai zu mykologischen Techniken in der dermatologischen […] Praxis illustriert die damals enge Verknüpfung der Mykologie mit der Dermatologie. Diese besteht auch heute noch und spiegelt sich im Programm der MYK 2021-Tagung wider: Eine Session der Klinischen Mykologie steht ganz im Zeichen dermatologisch relevanter Aspekte und Erreger und wird durch diverse dermatologisch geprägte Posterbeiträge ergänzt.

So sehen wir den von Hans Rieth im Vorwort der MYK 1981 geäußerten Gedanken bestätigt: „Die Dermatologie als Mutter der Mykologie gibt immer noch ein gutes Beispiel für die notwendige Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung auf dem Gebiet der Erkennung und Bekämpfung der Mykosen. Andere Fachgebiete folgen bereits. Der Geist der Mykologie entwickelt unwiderstehliche Begeisterung.“ Wir sind zuversichtlich, dass sich diese unwiderstehliche Begeisterung auch im online-Format der kommenden MYK 2021 entfalten wird und freuen uns auf inspirierende drei Tage im Zeichen der Mykologie im September.

Schauen Sie hier in das Programm der MYK 1981.